Geschichte
Es war ein strahlender Sonntag im Sommer des Jahres 1957. An der sogenannten „Sandbank“ – einer kleinen Sandbucht zwischen Niedernberg und Großwallstadt – tummelten sich sonnenhungerige Niedernberger im Wasser und auf den Wiesen. Unter ihnen befanden sich Rudi Sendelbach und Herbert Hartlaub, die von der Idee ergriffen waren, einen Spielmannszug in Niedernberg zu gründen.
Schon längere Zeit hatten die Beiden am gemeinsamen Arbeitsplatz davon gesprochen, nachdem das mächtige Spiel vieler Spielmannszüge beim Dammer Gauturnfest 1957 großen Eindruck hinterlassen hatte. Die Begeisterung von Herbert Hartlaub und Rudi Sendelbach sprang auf die kleine Gruppe am Mainufer über und nach einem weiteren Aufruf am „Schwarzen Brett“, damals noch Mitteilungsorgan der Gemeinde Niedernberg, meldete sich eine große Zahl junger Buben, die ein Instrument spielen wollten.
Sie alle kamen am 19.7.1957 zur Gründungsversammlung ins Gasthaus „Zur Linde“ zusammen. In den nächsten Wochen kamen immer neue Interessenten dazu, so daß bald eine stattliche Gruppe von 45 Spielleuten beisammen war. Zum ersten Spielmannszugführer wurde einstimmig Rudi Sendelbach ernannt. Als Kassier wählte man Herbert Hartlaub.
Bei der Beschaffung der teilweise sehr teueren Instrumente wurde der Spielmannszug von der Interessengemeinschaft und vom damaligen Bürgermeister, Herrn Adam Klement, unterstützt. Eine Haussammlung wurde genehmigt und mancher Geschäftsmann, aber auch die Bevölkerung Niedernbergs unterstützte den Zug auf spührbare Weise. Jetzt suchte der Spielmannszug Anschluß an eine bereits bestehende Organisation.
Da zu dieser Zeit in Niedernberg noch kein Turnverein bestand, war die Möglichkeit einer Anbindung an den Deutschen Turnerbund nicht gegeben. Daher bot die Freiwillige Feuerwehr unter ihrem Kommandanten Leo Hartlaub die Möglichkeit eines Anschlusses. So entstand der erste Feuerwehrspielmannszug im Landkreis Obernburg und auch in Nordbayern. Mit finanzieller Hilfe der Feuerwehr und einem zinslosen Kredit des Musikhauses Otto Dreßler in Aschaffenburg konnten die Instrumente für insgesamt 2.000 DM angeschafft werden.
Rudi Sendelbach übernahm das Einüben der Märsche und stellte sich auch als Tambour zur Verfügung. Beim närrischen Rathaussturm des jungen Karnevalvereins an Fasching 1958 zeigte sich der Spielmannszug erstmals der einheimischen Bevölkerung. Das Repertoire bestand nur aus zwei Märschen, doch es gab reichlich Beifall und Anerkennung. Zur ersten Uniform wurden blaue Hosen angefertigt, Lederkoppeln angeschafft und blaue Käppis (Schiffchen) eingekauft. So trat der Zug zur ersten Einladung bei der Kommandantentagung der Freiwilligen Feuerwehr in Elsenfeld auf.
Bald bekam der Musikkörper Einladungen aus nah und fern, vor allem zu Feuerwehrfesten. Ein besonderer Höhepunkt war dabei das Auftreten des Zuges beim unterfränkischen Feuerwehrtag im August 1958 in Würzburg. In den kommenden Jahren verlor der zuerst gut fundierte Zug immer mehr Spielleute durch die Einberufung zur Bundeswehr, wegen Wohnungswechsel, aber auch wegen der zurückgehenden Begeisterung. Einer Reihe von Idealisten, an deren Spitze der langjährige Spielmannszugsführer und heute Ehrentambour Rudi Sendelbach genannt werden muß, ist es zu verdanken, daß der Spielmannszug über diese schwere Zeit kam.
Das Jahr 1965 brachte dann das Kreisfeuerwehrfest nach Niedernberg. Verbunden damit war die Fahnenweihe der Niedernberger Feuerwehr. Der Spielmannszug hatte mit roten Westen, weißen Hemden und schwarzen Hosen eine neue Uniform, die durch ihr attraktives Aussehen vielleicht daran schuld war, daß erstmals auch Mädchen Freude am erlernen eines Instrumentes hatten. 1966 waren dann bereits 14 weibliche Mitglieder aktiv beim Spielmannszug.
Im Jahr 1967 wurde Eugen Klug zum Abteilungsleiter und Herbert Sacher zu seinem Stellvertreter gewählt. Kassier und Zeugwart blieb weiterhin Herbert Hartlaub. Die Position des Schriftführers hatte Ludwig Fischer inne, während Roland Lebert zweiter Tabourmajor wurde.
Mit dem 10-jährigen Gründungsfest in der Zeit vom 14. – 17.6.1968 richtete der Spielmannszug dann sein erstes großes Fest mit viel Erfolg aus und legte so auch den finanziellen Grundstock für die nächsten Jahre. Im gleichen Jahr wurde auch die neue Winteruniform mit großer Unterstützung freiwilliger Helfer angeschafft.
1969 gab dann Dietmar Sendelbach sein Debüt als neuer Tambourmajor. Im gleichen Jahr machte der Zug einen Ausflug nach Axams/Tirol und veranstaltete das Johannisfeuer, das leider von einem wolkenbruchartigem Regen verwässert wurde.
Herbert Sacher übernahm 1970 die Position des Abteilungsleiters im Spielmannszug, zu seinem Vertreter wurde der Gründungsinitiator Rudi Sendelbach gewählt. Auch in diesem Jahr wurde wieder eine große Anzahl von Festen besucht um die Besucher dort mit dem klingenden Spiel des Spielmannszuges zu erfreuen. 66 aktive und 4 passive Mitglieder gehörten 1971 dem Musikkörper an.
Ein Jahr später wurde dann Joachim Rupp erstmals zum Abteilungsleiter gewählt. Mit ihm trat ein junger Mann an die Spitze des Spielmannszuges, der in den kommenden Jahren bis heute das Geschehen des Niedernberger Spielmannszuges und heutigen Musikcorps nachhaltig geprägt hat. 1972 trat der Zug der Niedernberger Interessengemeinschaft bei.
Der Ausflug nach Schoppernau/österreich über 3 Tage und mit 2 voll besetzten Reisebussen stellte einen weiteren Höhepunkt dar und macht gleichzeitig auch deutlich, daß sich der Verein in den zurückliegenden 30 Jahren nicht nur immer bemühte, Menschen Freude durch Musik zu bereiten, sondern den aktiven und passiven Mitgliedern durch gesellige Veranstaltungen der verschiedensten Art für ihren Einsatz für den Verein Dank zu sagen.
14 Tage nach dem Ausflug wurde der „Große Zapfenstreich“ erstmals und mit viel Erfolg in Richelbach aufgeführt und damit ein neuer musikalischer Höhepunkt erreicht. In den folgenden Jahren konnte dieses Musikstück noch mehrfach erfolgreich aufgeführt werden. Der Eindruck, den wir dabei auf unsere Zuhörer hinterlassen haben, wird besonders dadurch deutlich, daß bei der Aufführung in Niederroden 1983 ein Zuhörer spontan 1.000 DM für das Musikcorps spendete.
Vom 15. – 18.7.1977 wurde das 20-jährige Bestehen des Spielmannszuges gefeiert. Herausragendes Ereignis dieses Festes war der Auftritt von Hubert Wolf und seinen Original Böhmerländer Musikanten. Im gleichen Jahr trat der Spielmannszug dann auch dem Nordbayerischen Musikbund, Verband Untermain, bei. Dadurch wurde nicht nur der Versicherungsschutz für die Musiker verbessert, sondern auch die Ausbildungs- und Zuschußmöglichkeiten verbreitert.
1979 war dann die Instrumentalisierung soweit fortgeschritten, daß man nicht mehr von einem Spielmannszug reden konnte. Seitdem heißt die offizielle Bezeichnung – Musikcorps FFW Niedernberg e.V. Mit dieser Namensänderung wurde eine Entwicklung dokumentiert, die vom traditionellen, in der Zeit der Landsknechte begründeten Spielmannszug mit Pfeifen und Trommeln zu einem inzwischen umfassenden besetzten Musikkörper mit breiten musikalischen Möglichkeiten geführt hat.
Wenn das Musikcorps heute die „Deutsche Messe“ von Franz Schubert in unserer Pfarrkirche aufführt, ist dies ein Ergebnis dieser mühevollen Entwicklung vom Spielmannszug zum Musikcorps. Diese Entwicklung ist eng mit dem Namen eines Mannes verbunden – Toni Deckelmann, der als Beckenspieler beim Musikcorps begonnen hatte, sich durch großartige Eigeninitiative nicht nur zu einer qualifizierten Fachkraft entwickelte, sondern auch die musikalische Entwicklung des Musikcorps in den letzten Jahren entscheidend mitgeprägt hat.
Seit 1981, wo er das Amt des Dirigenten von dem ebenfalls um die Musik und den Spielmannszug sehr verdienten Dietmar Sendelbach übernahm, hat Toni Deckelmann auch die musikalische Gesamtleitung für den Musikkörper. Im Juni 1982 richtete das Musikcorps dann erstmals das Verbandsmusikfest des Nordbayerischen Musikbundes mit großen Erfolg aus. Durch die Teilnahme von 27 Blaskapellen und Spielmannszügen wurde dieses Fest auch zu einem musikalischen Höhepunkt für die gesamte Gemeinde Niedernberg.
Mit großen finanziellen Anstrengungen für den Verein war die Komplettierung der fränkischen Trachten für mehr als 60 Aktive verbunden. Dieser Aufwand hat sich jedoch gelohnt, denn das Musikcorps macht mit seiner nunmehr vollständigen, fränkischen Tracht mit der blauen Jacke und dem Dreispitzhut jetzt bei seinen Auftritten auch optisch einen hervorragenden Eindruck. Gleichzeitig macht das Musikcorps damit auch die Verbundenheit der Musik mit unserer kulturell so reichen fränkischen Heimat deutlich.
Im Jahr 1985 nahmen wir freundschaftliche Kontakte mit dem Musikverein Goßmannsdorf auf. Bei diesem Verein haben unsere Aktiven Kurt Höhn-Schüßler und Josef Scheuring in ihrer Heimatgemeinde vor ihrem Zuzug nach Niedernberg gespielt. Ein Höhepunkt in der musikalischen Entwicklung war sicher der Auftritt beim Oktoberfestzug im Jahr 1989 und das Mitwirken bei der Kieler Woche 1991. Mittlerweile gehören das alle zwei Jahre stattfindende Frühjahrskonzert und die alljährlichen Auftriftte im Frankfurter Palmengarten sowie im Aschaffenburger Schöntal fest in unseren Terminkalender.
An Nachwuchs mangelt es dem Musikcorps nicht. Dank der gut organisierten Ausbildung und Jugendarbeit gibt es im aktiven Bereich mehr „Minderjährige“ als Erwachsene. Maßgeblich dazu beigetragen hat auch hier wieder Toni Deckelmann, der mit seinem Ausbildungskonzept seit 1993 schon mehr als 70 Jugendliche für eine Instrumentenausbildung begeistern konnte.
Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Vereins ist ohne Zweifel der Bau des Vereinshauses, an dem unter anderem auch die große Zahl der Auszubildenden „Schuld“ ist. Die vorhandenen Möglichkeiten Ausbildungsstunden abzuhalten waren voll ausgeschöpft und die stetig wachsene Zahl an Aktiven beim Musikcorps ließ die für die Proben zur Verfügung stehende Schul-Aula aus allen Nähten platzen.
Am 24. September 1999 wurde das Vereinshaus, das den Namen Musicum trägt, seiner Bestimmung übergeben.